Familiäre Streitigkeiten

Familiäre Streitigkeiten

Es ist ein sonniger und sehr heißer Tag. Daran, sich nach draußen zu begeben, ist nicht zu denken und so beschließt der ergebenen Diener der königlichen Katzenschaften, am PC einige Fotos zu bearbeiten. Die kätzischen Herrschaften tun es ihm gleich und dösen, auf vier Räume verteilt, vor sich hin.

Herr Kalle hat sich die Liegemulde des Kratzbaums im luxuriösen und mit verschwenderisch teurer Elektronik ausgestatteten Büro des Dieners gesichert. Zum Flanieren und Spielen ist auch ihm zu warm. Ganz anders Herr Gizmo. Er liegt ausgestreckt auf der mittleren Plattform selbigen Kratzbaums, dort wird es ihm jedoch alsbald langweilig. Er duckt sich, schleicht sich an, sprungbereit, immer die Liegemulde im Blick. Er langt mit einer Pfote in die Liegemulde. Herr Kalle langt zurück, faucht leise. Der Herr möchte seine Ruhe haben. Gizmo jedoch zeigt keine Einsicht. Er springt auf den Rand der Liegemulde und langt weiter nach Kalle. Dieser faucht nun etwas lauter und stößt einen kehligen, bedrohlichen Laut aus. Ein lautstarkes Zetern, Knurren und Fauchen ist zu hören, als Gizmo ihm daraufhin ins Nackenfell packt.

Im nächsten Moment beendet ein fast stimmloses, äußerst bedrohliches und messerscharf durch den Raum schneidendes “KALLE!!! GIZMO!!!” den Kampf. Beide Kontrahenten schauen sich geschockt, flach geduckt und mit angelegten Ohren um. Auf dem Bürostuhl sitzt der ergebene Diener und starrt die beiden Streithähne finster nieder. Die Raumtemperatur sinkt augenblicklich unter den Gefrierpunkt. Gizmo schleicht, den Körper immer noch flach Richtung Boden gedrückt, zur unteren Ebene des Kratzbaums. Herr Kalle sitzt mit weit aufgerissenen Augen in der Liegemulde.

“Wenn ihr beiden glaubt, eure Streitigkeiten hier genauso fortführen zu können wie damals, habt ihr euch den falschen Diener ausgesucht”, spricht der nun nicht mehr so ergebene Diener, die Stimme noch immer schneidend, der eisige Blick alles und jeden augenblicklich zur Salzsäule erstarren lassend. Herr Gizmo starrt ihn noch eine Weile an, sieht jedoch bald ein dass er dabei ist, diesen für ihn aussichtslosen Kampf haushoch zu verlieren und rollt sich, jeden weiteren Blickkontakt mit dem Diener vermeidend, auf der Plattform ein. Herr Kalle tut es ihm in der Liegemulde gleich.

Bereits am Abend, bei der alltäglich zweimalig stattfindenden Schlemmerrunde, scheinen die Streitigkeiten vergessen. Beide Kontrahenten stehen direkt nebeneinander, sich immer wieder wie zufällig streifend vor der Arbeitsplatte und beobachten in freudiger Erwartung den Diener, wie er die feinsten und erlesensten Leckereien in die Näpfe füllt.

“Fast wie bei Menschen”, denkt sich der Diener, revidiert jedoch augenblicklich diesen Gedanken, als er die täglichen Nachrichten überfliegt.